Die Möglichkeiten von Darjeeling nach Katmandu zu kommen sind ziemlich begrenzt: Man kann entweder auf demselben Weg wie zuvor zurück nach Delhi fliegen und von dort aus zu einem halbwegs akzeptablen Preis weiter nach Katmandu fliegen – was allerding bedeutet zwei Tage unterwegs zu sein, man kann die Landgrenze nach Nepal überqueren und von dort aus einen Inlandsflug nehmen – allerdings werden Ausländern völlig absurde Flugpreise berechnet oder man überquert die Landgrenze und geht auf eine 12-stündige Abenteuerreise in einem Nachtbus zu einem akzeptablen Preis. Ratet mal, wofür wir uns entschieden haben. 😀 Da die Busse von einem Markt in der Nähe der Grenze abfahren, war das unsere präferierte Option, aber da man den Fahrplan der Busse nicht online einsehen kann geschweige denn online buchen und wir unsere Lektion in Indien gelernt haben, gab es ein gewisses Risiko auf diesem Markt mitten im Nichts stecken zu bleiben. Als gute Projektmanager haben wir nach einem Weg gesucht, dieses Risiko zu minimieren und die Lösung war ein ganz kleiner Laden in Darjeeling, der sich Reisebüro nennen durfte. In Wirklichkeit war es ein junger Kerl mit einem Laptop in einem kleinen Raum mit Schaufenster und einem Regal auf dem alles von Himalaya Bergsteiger DVDs und Bücher bis hin zu W40 angeboten wurde. Wir haben ihm unseren Plan erklärt und gefragt, ob er uns helfen kann. Wir haben auch erwähnt, dass wenn es eine günstige und eine komfortable Version des Busses gibt, wir die letztere nehmen würden. Er stimmte uns zu und ging kurz raus für ein Telefonat. Als er zurückkam, hatte er die Lösung für unsere Unsicherheit: Jemand würde die Tickets für uns organisieren, uns auf der Nepalesischen Seite der Grenze abholen und uns zum Bus begleiten – Perfekt! Im Austausch für ca. 15€, bekamen wir eine Art handgeschriebene Rechnung und die Telefonnummern und Namen des Herren im Reisebüro und seines Kollegen auf der anderen Seite der Grenze – auf einen handgeschriebenen Zettel ist immer Verlass!
Wir verließen also Darjeeling und unser Fahrer kurvte wieder in atemberaubendem Tempo die Serpentinen runter als ob er sein Leben lang nichts anderes getan hätte. Im Tal angekommen, fuhren wir zu einem Ort, wo viele LKW darauf warten, die Grenze passieren zu dürfen. Er hielt an einem kleinen Häuschen an, zeigte darauf und sagte – „Customs!“. Das war unser Signal zum Aussteigen. Wir liefen rüber zum Gebäude, holten unsere Ausreisestempel von jemanden in einem Adidas Trainingsanzug und Adiletten und wurden in Richtung der Brücke gewiesen mit dem freundlichen Hinweis, dass unsere indischen Visa nun ungültig seien. Für Alice war es das erste Mal, dass sie eine echte Grenze (nicht diese Schengen Grenzen) zu Fuß überquert hat- schon ein komisches Gefühl im Niemandsland zu sein und nicht sicher zu sein, ob sie einen auf der anderen Seite auch wirklich rein lassen. Als wir da gemütlich über die Brücke spazierten, fiel uns auf, dass das Gras bzw. die Acker auf der Nepalesischen Seite doch tatsächlich grüner waren! Auf der anderen Seite angekommen, wurden wir von Umesh, dessen Nummer auf unserem Zettel stand freundlich begrüßt und ins Visa Büro begleitet. Er hat ruhig auf uns gewartet während wir die Formalitäten erledigt haben. Mit den äußerst freundlichen Grenzbeamten war das überhaupt kein Problem und ein Paar Minuten später hielten wir unsere Visa in den Händen und liefen mit Umesh in Richtung des Busbahnhofs. Da wir früh dran waren (man kann ja nie wissen, wie lang so ein Grenzübergang dauert), nahm uns Umesh mit zu seinem Gästehaus, wo wir uns entspannen und etwas essen konnten. Eine halbe Stunde vor der Abfahrt des Busses, machten wir uns wieder auf zum Busbahnhof und durften unseren Bus in Augenschein nehmen. Dieser sah besser aus als wir es befürchtet haben! Er hatte sogar Sitze, die sich in eine halb-liegende Position verstellen ließen und eine integrierte Beinablage hatten, man konnte sich wirklich vorstellen darin zu schlafen. Die Rucksäcke waren schnell verstaut, wir dankten Umesh für seine Hilfe und das Abenteuer ging los. Nach kurzer Zeit verließen wir die Stadt und waren auf unserem Weg nach Katmandu. Kurz vor unserer Abfahrt, haben wir Umesh gefragt, wie die Straßenverhältnisse in Nepal sind und er sagte, dass die Straße nach Katmandu in sehr gutem Zustand sei (immerhin ist es Nepals Hauptverbindungsstraße zum Meer und der Außenwelt), also waren unsere Hoffnungen auf etwas Schlaf geweckt – das war die Übertreibung das Jahres! Als wir noch in der Stadt waren, war die Straße noch ganz in Ordnung, aber sobald wir die Stadt verließen, verwandelte sich der Straßenbelag in eine Mischung aus Sand, Steinen und Staub. Der Bus wurde so durchgerüttelt, dass Michael irgendwann entscheiden hat, seinen Handgepäcksrucksack auf dem Schoß zu halten um zu verhindern, dass die Kamera durch das Gerüttel beschädigt wird. Um den Spaßfaktor zu erhöhen, wechselte die Temperatur im Bus ständig zwischen sibirischer Kälte und tropischer Hitze hin und her – offenbar kannte die Klimaanlage nur zwei Zustände. Als Michael während einer der Hitzephasen versucht hat, das Fenster zu öffnen, riss er sich den Nagel ein und sein Finger fing an zu bluten. Und weil das alles nicht genug war, dauerte der Trip statt der geplanten zwölf Stunden, ganze 17. Wieder an der frischen Luft und mit festem Boden unter den Füßen, fassten wir den Beschluss nie wieder so lange in einem mehr oder weniger komfortablen Bus zu reisen. Immerhin haben unsere Mitreisenden uns geholfen an der richtigen Station auszusteigen, denn was wir nicht wussten ist, dass der Bus in Katmandu mehrere Haltestellen hat. Unser AirBnB Gastgeber Sanjeev hat uns eigentlich am frühen Morgen erwartet und hatte auch keine Möglichkeit mit uns in Kontakt zu treten, da unsere indischen Karten nun nicht mehr funktioniert haben. Wie sind wir früher ohne Handys und mobiles Internet gereist??? Keine Ahnung… Wir haben einen Taxifahrer gebeten Sanjeev anzurufen und nach einer Wegbeschreibung zu fragen weil sein Haus nicht ganz einfach zu finden ist. Einmal angekommen, wurden wir sehr herzlich empfangen und Sanjeev hat uns bei einem leckeren Tee auf der Dachterasse einige Tips für Katmandu und Umgebung gegeben. Als wir den Trip nach Nepal geplant haben, haben wir beschlossen nur einen Tag in Katmandu zu bleiben also hatten wir jetzt keine Zeit zu verlieren. Wir haben uns kurz das Backpackerviertel Tamel angeguckt – wie in allen anderen Ländern, kann man hier auch jegliches Equipment für die nächste Everest Besteigung erstehen oder „echte“ Markenwaren von namhaften Herstellern. Nachdem wir genug Nippes gesehen haben, sind wir weiter zum „Affentempel“ gefahren, der auf einem Hügel liegt und damit einen tollen Ausblick über die Stadt bietet (und natürlich leben dort auch einige Affen).
Nach dem Tempel haben wir genug vom staubigen Katmandu gesehen und kümmerten uns um die Unterkunft und den Transport nach Nagar Kot – ein kleines Bergdorf nur 25km von Katmandu entfernt aber auf einer Höhe von ca. 2500m gelegen. Die wichtigsten Eigenschaften von Nagar Kot sind atemberaubende Ausblicke auf die Berge und ganz viel Stille und Entspannung – die perfekte Mischung für uns. J Nach dem stressigen Trip, haben wir beschlossen für vier Tage dort zu bleiben, die Aussicht zu genießen und ein Bisschen durch die Gegend zu wandern. Wir haben uns also in ein Hotel eingebucht, das „Peacefu cottage“ heißt – der Name lässt hoffen! Auf dem Weg dorthin haben wir noch mehr nepalesische Straßen „in sehr gutem Zustand“ gesehen – uns wurde erklärt, dass mehr als 80% der Straßen in der Region immer noch vom Erdbeben im Jahr 2015 beschädigt sind und nach und nach repariert werden. Das Eisenbahnnetz hingegen wurde offenbar ganz aufgegeben. Das erklärte auch die Reisezeit von gut über einer Stunde für die 25km. Aber einmal angekommen, fanden wir uns tatsächlich an einem ruhigen und friedlichen Ort wieder. Da uns das Wetter (mal wieder!) böse mitspielte und man nichts von den Bergen sehen konnte, nutzten wir die Zeit um Schlaf nachzuholen, zu entspannen und den ein oder anderen Tee im Restaurant zu schlürfen.
Es war schon spät und wir haben uns für’s Bett fertig gemacht als Alice feststellte, dass ein Stück Papier vom Regal auf den Boden gefallen ist. Aber da wir keine Angst vor Geistern haben, habe ich angenommen, dass es an der Klimaanlage lag und habe dem keine weitere Bedeutung beigemessen. Doch nur wenige Minuten später wussten wir, dass es nicht die Klimaanlage und auch sicher nichts paranormales war, sondern eine große fette Ratte, die nun auf meinem Kissen stand, uns angeguckt hat und abgewartet hat wie wir reagieren würden.
Wow, was für ein Start in den Abend! Als ich einen Schritt auf die Ratte zuging, verschwand sie wieder zwischen der Natursteinwand und der dekorativen Holzverkleidung davor. Als erstes riefen wir natürlich die Rezeption an, um nach einem anderen Zimmer zu fragen, aber keine Chance, wir waren die letzten im Restaurant und sie haben nach uns das Licht ausgemacht und abgeschlossen. Die Ratte guckte mehrfach an verschiedenen Stellen zwischen der Wand und der Holzverkleidung hervor, also versuchten wir diese Stellen so gut wie möglich zu verschließen indem wir Gläser, Flaschen oder Schuhe dazwischen stopften, aber keine Chance, es waren einfach zu viele Unebenheiten und die Ratte fand immer wieder einen neuen Weg. Irgendwann war Alice so müde, dass sie trotz der Rattengefahr einfach umfiel. Ich konnte aber wirklich nicht ruhig schlafen und da ich glücklicherweise einen ausgedehnten power nap am Nachmittag hatte, fühlte ich mich fit genug um wach zu bleiben und die Rattenwache zu übernehmen. Um nicht einzuschlafen habe ich mit einem Auge eine Serie geguckt und mit dem anderen die Wand beobachtet und immer wieder bedrohliche Bewegungen gemacht oder meine Flipflops durch den Raum geworfen, um die Ratte wieder in ihre Löcher kriechen zu lassen. Das Biest war wirklich hartnäckig! Jedes Mal wenn ich etwas müde wurde und dachte, dass ich sie schon eine Weile nicht mehr gesehen habe, kroch sie wieder hervor und guckte mich an um zu sehen, ob ich denn schon schlafe. Gegen drei Uhr wurden meine Reaktionen etwas träge und ich habe für einige Minuten nicht mehr zur Wand geguckt – als ich dann hoch guckte, waren es auf einmal zwei Ratten! Die eine war schon auf dem Boden und die andere guckte ganz oben aus der Wandverkleidung hervor. Ich warf wieder mit meinen Flipflops und machte bedrohliche Geräusche. Der Adrenalinspiegel stieg wieder an, denn nun waren sie mir zahlenmäßig überlegen! Irgendwann gegen vier fing es langsam an heller zu werden und die Ratten schienen verschwunden zu sein. Da ich eh wach war, beschloss ich auf die Dachterrasse zu gehen und den Sonnenaufgang zu filmen. Ich nahm meine Ausrüstung, zog mich warm an und los gings. Alice wurde nun auch wach und versprach nachzukommen. Als sie nach einiger Zeit oben war erzählte sie, dass die Ratte doch nochmal raus kam und sie einen zeichentrickartigen Schreianfall inklusive Sprung auf einen Stuhl hinlegen musste um sich vor ihr in Sicherheit zu bringen – ätzende Viecher! Immerhin wurden wir mit einem wunderschönen Sonnenaufgang belohnt und haben sogar die Spitze des Everest in der Ferne erblickt. Als die Sonne oben war und die Morgenröte abflachte, sind wir natürlich zur Rezeption gelaufen und haben von unserer abenteuerlichen Nacht berichtet. Die Mitarbeiter entschuldigten sich und gaben uns ein Zimmer am anderen Ende des Gebäudes – diesmal ohne Haustierchen. Am Nachmittag gab es einen kurzen Regenschauer mit Windböen – für uns nichts außergewöhnliches, wir haben uns sogar etwas gefreut, weil nach Regenfällen die Sicht normalerweise besser ist. Doch in Nepal war es ausreichend um die Hauptstromleitung für den Ort zu kappen und damit auch die Internetverbindung. Da so etwas nicht zum ersten Mal vorkam, war das Hotel vorbereitet und ein Generator erzeugte zumindest genug Strom um die Zimmer mit Licht zu versorgen, aber für die Klimaanlagen und Steckdosen reichte es nicht. Da es sonst wenig zu tun gab, versammelten sich am Abend alle Gäste im Restaurant und wärmten sich auf mit Suppe und Tee. Als es aber am Nachmittag des Folgetages immer noch keinen Strom gab, hatten die Mobilgeräte der Gäste langsam keinen Strom mehr und der Unmut stieg. Als die Stromleitung endlich repariert war und wir wieder an die Außenwelt angeschlossen wurden, war unser Laptop glücklicherweise nicht am Netz, denn das Netzteil, was noch angeschlossen war ist seitdem tot. Das bedeutete für uns: kein Laptop, keine Serien, keine Unterlagen… bis wir Ersatz kaufen können.
Nach vier Tagen in Nagar Kot, wo es wirklich nichts zu tun gab außer entspannen und sich die Berge angucken (was wirklich nicht die schlimmsten Optionen sind), waren wir bereit eine der ältesten und schönsten Städte Nepals zu entdecken – Bhaktapur. Nur unweit von Katmandu, ist diese Stadt eine historische Oase und bietet eine Vielzahl von traditionellen Nepalesischen Gebäuden. Obwohl das Erdbeben von 2015 hier besonders starke Schäden angerichtet hat, nahezu die Hälfte aller Gebäude zerstört wurden und große Teile der Stadt immer noch im Wiederaufbau begriffen sind, kann man uralte Pagoden und Paläste besichtigen, die einem einen guten Eindruck davon vermitteln, wie Nepal seit Jahrhunderten ausgesehen haben muss. Wir hatten echtes Glück mit der Wahl unserer Unterkunft, denn die Gastgeber des Pradan House haben uns sehr herzlich empfangen und der Familienvater Ganesh hat uns sogar eine Tour durch die Innenstadt gegeben. Da Ganesh ein echter Einheimischer ist und sich bestens auskennt, haben wir Ecken der Stadt gesehen, die wir auf eigene Faust nie gefunden hätten. Besonders die Papierfabrik, die in einer Seitengasse versteckt ist und wo verschiedenste Papiersorten immer noch mit alten Methoden von Hand hergestellt werden war sehr interessant zu sehen. Am Abend hatten wir ein traditionelles nepalesisches Dinner bei Ganesh zu Hause, was uns wirklich das Gefühl vermittelt hat, ein Stück echtes Nepal zu erleben.
Durch die Kälte in Darjeeling und Nepal und die fehlende Heizung haben wir uns beide eine Erkältung eingefangen und haben uns echt darauf gefreut diese endlich los zu werden. Und so ging es am nächsten Tag zum Flughafen und wir flogen nach Thailand für eine Woche Strand ohne jegliches Programm in Hua Hin. Ein Bisschen Programm haben wir dann aber doch gemacht, denn ein Besuch beim Schneider und eine Rune um die Tempel in Bangkok mussten schon sein. 😀